Rück- und Ausblick
Die Musiker Barbara Romen und Gunter Schneider lernten während eines Aufenthaltes in den USA Michael W. Schneiders Technik der Druckplattenherstellung mit Hilfe von Steinkeilen kennen.
Michael W. Schneider kniet am Boden und bearbeitet eine Holzplatte mit in der Natur gefundenen Steinen klopfend bzw. schlagend in regelmäßigen/unregelmäßigen Klopffolgen. Durch die Beschaffenheit der Steine, die Schlagkraft, Schlagtiefe und -dichte und durch die Eigenschaften der Holzplatte entstehen Spuren in der Holzplatte, die sich zu Strukturen verbinden. Dieses so entstandene Relief wird mit schwarzer Tusche eingefärbt und in der Tradition des japanischen Holzschnittes gedruckt.
Das sich anfangs vor allem am akustischen, rhythmisch-perkussiven Aspekt dieser Tätigkeit entzündende Projekt einer Serie von gemeinsamen Performances des Druckgrafikers Michael W. Schneider zusammen mit Barbara Romen (Hackbrett) und Gunter Schneider (Gitarren) – mit dem Titel klopfzeichen – erkundete sehr bald schon grundlegende Zusammenhänge zwischen bildender Kunst/Druckgrafik und Musik. Dabei geht es um Beziehungen zeitlicher und räumlicher Gestaltung, um Synchronizitäten wie um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Disziplinen, und nicht zuletzt auch um das Verständnis der entstehenden Drucke als Notierungen und Speichermedien der Musik – wie umgekehrt um die Manifestation des Ätherischen der bildenden Arbeit in den Klängen. Die ursprünglich – oder vermeintlich? – klar definierten Zuordnungen von bildender und klingender Kunst als zu sehende bzw. zu hörende Disziplinen werden fragwürdig, ja aufgelöst. Der bildende Künstler verschafft sich Gehör, die Musik ist zu sehen. Die experimentellen Aspekte sowohl der Herstellung der Druckplatten wie auch der klanglichen/musikalischen Gestaltung (Präparierungen, ungewöhnliche Spieltechniken) verstärken den archaischen Charakter dieses dieses disziplinäre Grenzen überschreitenden Unternehmens.
Die japanischen Wurzeln der Drucktechnik Michael W. Schneiders führten zu einer Erweiterung dieser Arbeit unter dem Titel klopfzeichen & klangschnitte durch die Einbeziehung japanischer bildender KünstlerInnen (Miida Seiichiro, Isomi Teruo, Segawa Maiko, Raita Miadera) und Musiker (Yasuhara Masayuki, Unami Taku). Die zum Teil engen Beziehungen zwischen japanischer und westlicher Kunst und Musik im 20. Jahrhundert sind dabei Basis und Voraussetzung für eine Neudefinition von Beziehungen und Zusammenhängen. Der Paradigmenwechsel von Printmaking zu Printmedia zeigt sich in einer verstärkten performativen Ausrichtung der Druckgrafik, damit kommt der seit 2005 laufenden Performance eine wichtige Vorreiterrolle zu.
Die Begegnung mit den österreichischen AutorInnen Rosa Pock und Peter Ahorner brachte 2009 die Einbeziehung einer weiteren Ausdrucks- und Reflexionsebene in Form von Laut- und Sprechimprovisationen. Auch in diesem Fall kommentieren und bereichern einander die verschiedenen Künste neu. Die literarische Ebene tritt in ihrer Dynamik in Beziehung zu Dramaturgie und Verlauf der bildnerischen Aktion und der Musik. Durch ihre semantischen Aspekte bietet sie für diese neue Assoziations- und Anknüpfungspunkte. Scheinbar selbstverständliche Zuordnungen werden hinterfragt und neu definiert. Die klangliche Ebene verbindet alle drei Disziplinen. Sie manifestiert sich in ihren verschiedenen Funktionen als eigenwertige Musik wie als Träger textlicher Informationen und als Arbeitsgeräusch. Druckplatte und Druck entstehen als Bild, Abbild und Dokumentation der Aktion. Die Laut- und Sprechimprovisationen – sprachsplitter – öffnen Räume, die vom Klanglich-Dynamischen über eigene Geschichten bis zum Diskurs über das Geschehen reichen können.
Im japanischen Gespräch, heißt es, geht es nicht so sehr darum, sich in Fakten und Aussagen einig zu sein, sondern um eine grundsätzliche Übereinstimmung durch das miteinander Sprechen, um ein Netz von korrespondierenden Schwingungen.
Nicht Eindeutigkeit, sondern gemeinsame Offenheit ist das Ziel.
© Barbara Romen, Gunter Schneider, Michael W. Schneider