Bemerkungen zu Michael Schneiders Holzdrucktechnik
Von Monika Knofler
Schon während seines Studiums an der Akademie der bildenden Künste bei Maximilian Melcher setzt sich Michael Schneider ausschließlich mit der Technik des Hochdrucks auseinander. Am Anfang noch mit dem klassischen europäischen Holzschnitt, der ihn jedoch nur solange faszinierte, als er diese Technik nicht völlig beherrschte. Umso technisch perfekter die Arbeiten wurden, desto „eleganter“ erschienen sie ihm und umso unzufriedener wurde er, da er in seinen Arbeiten wohl die künstlerische, doch keineswegs die technische Perfektion als Selbstzweck verfolgt.
Nach Abschluss des Studiums ermöglichte ihm ein Stipendium an der Tokyo National University of Fine Arts and Music* die intensive Auseinandersetzung mit dem klassischen japanischen Holzschnitt, doch auch die in Japan übliche technische Perfektion genügte ihm nicht. Da es für ihn außer Frage stand, die Auseinandersetzung mit dem Bildträger Holz aufzugeben, suchte er nach einer Lösung, die er in der Reduktion auf die einfachsten Mittel fand, der Bearbeitung des Holzes mit einem Stein. Diese für japanische Begriffe äußerst rohe Abwandlung des Hochdrucks stieß dort zuerst auf völliges Unverständnis. Seit damals klopft Schneider seine Bilder in das weiche Pappelpaneelholz, seltener auf das härtere und deshalb in der Bearbeitung schmerzhaftere Langholz. Durch die verschiedenen Spitzen des Steins, die verschiedenen Haltungen und der nicht immer gleichen Wucht des Schlages ergeben sich verschiedene Strukturen und Linien. Im Gegensatz zum klassisch europäischen Holzschnitt, bei dem durch dieselbe Höhe der Linienstege die Druckfarbe gleich aufliegt und so eine Dichte aufweist, differenzieren bei Schneiders Technik die verschiedenen Tiefen der eingeklopften Stellen oder Linien, wodurch sich eine verschiedene Intensität des Farbtones ergibt. Betrachtet man eine bearbeitete Platte, so bleibt das Bild jedoch verborgen wie eingegrabene Nachrichten, die erst beim Druck sichtbar werden.
Mit Ausnahme von Probeabzügen, bei denen er manchmal eine Farbe benützt, sind seine Arbeiten ausschließlich im Kontrast von Schwarz zu Weiß konzipiert. Schneider stellt die Drucke mittels einer Weiterentwicklung des traditionellen Bürstenabzuges her. Nach dem Einfärben - seit 1994 fast ausschließlich mit schwarzer Tusche, seltener mit Ölfarbe - wird feuchtes Papier (jap. washi) aufgelegt und mit einer durchsichtigen Hostaphan-Folie als Makulatur abgedeckt. Zuerst streicht er das Papier mit der Hand glatt und streift dann mit Bürste und Barren zuerst von der Mitte nach außen, dann dem Rand entlang und bearbeitet anschließend die Platte mit kreisenden Bewegungen von außen nach innen. Da auch das Papier durch die Feuchtigkeit durchsichtig wird, ist eine genaue Kontrolle des Druckvorgangs möglich.
Für Schneider stehen die Mechanismen der Technik und das formale Gestalten in einer zwingenden Logik zueinander. Durch die Reduktion der Mittel und die Konzentration auf die zu Grunde liegende Bedeutung der Dinge entstand eine neue Zeichensprache, um das Unlesbare deutlich zu machen und nicht eine Bedeutung zu suggerieren. Denn wie schon Paul Klee gefordert hat, ist es nicht Ziel der Kunst, das Sichtbare aufzuzeigen, sondern das Unsichtbare sichtbar zu machen. So geht es Schneider in seinen Arbeiten um den Moment, wo formale Gestaltung Zeichenhaftigkeit annimmt und auf Inhalte hinweist, die zum Teil nicht mehr lesbar sind und deren Schlüssel nicht für jedermann bekannt ist. Seine Arbeiten sind Details eines außerhalb des bestehenden Bildrandes sich fortsetzenden, für uns unsichtbaren Gesamtbildes, dessen totale Ansicht es einem erst ermöglichen würde, den Inhalt der von Michael Schneider geschaffenen Bildwelten zu entziffern.
* Nun: Tokyo University of the Arts
Aus: Schneider, Michael: unentschlüsselte tafel . rekonstruktionen. Wien: edition ps 1998, S. 13-14
Dr. Monika Knofler ist Kunsthistorikerin und ehemalige Direktorin des Kupferstichkabinetts an der Akademie der bildenden Künste Wien.