Contemporary Printmaking from Shanghai
42 aktuelle Positionen der Druckgrafik aus Shanghai sind im Ausstellungszentrum der
Universität für angewandte Kunst Wien im Heiligenkreuzer Hof zu sehen. Notizen dazu
von Michael Schneider.
Im Februar war ein eigener Panel der jährlichen Konferenz der College Art Association in New York der Druckgrafik in China gewidmet und auch die Southern Graphics Council International Konferenz im März in Milwaukee hatte China eingeladen, eine Sonderpräsentation der Gegenwartsdruckgrafik zu bestreiten, und bot eine Reihe von Vorträgen und zur Diskussion des Themas.
Es ist also höchst aktuell, sich mit der auflebenden chinesischen Druckgrafik zu beschäftigen. Nicht
zuletzt das 80 Jahr-Jubiläum der modernen Druckgrafik in China (vgl. Um:Druck Nr. 22/2013, S.23) und das neue Selbstbewusstsein chinesischer Kunst haben zu einer erhöhten Aufmerksamkeit geführt. Dieser kann die Universität für angewandte Kunst mit der Ausstellung im Heiligenkreuzer Hof entsprechendes Ansichtsmaterial liefern.
Die Ausstellung, aus einer seit Jahren bestehenden Kooperation entstanden, zeigt einen Ausschnitt
aktuellen Schaffens von KünstlerInnen verschiedenster Generationen in Shanghai. Die Ausstellung,
kuratiert von Prof. Zhou Guobin, zeigt auch die verschiedenen Pole, die für die Entwicklung der Druckgrafik in China in den letzten 80 Jahren von Bedeutung waren. Dabei lassen sich vier große Richtungen ausmachen.
Zuerst die chinesische Tradition. Obwohl durchaus nicht in gerader Linie von dieser abstammend, ist die Identifikation der chinesischen DruckgrafikerInnen mit der Geschichte der Druckgrafik in China sehr stark und bedingt auch eine Sichtweise, welche die Druckgrafik zu einer sehr chinesischen Ausdrucksform macht. Als zweites muss die von Lu Xun (bzw. Hsun) eingeführte, sozialpolitisch engagierte Druckgrafik aus Europa, vornehmlich aus Deutschland und Österreich, aber auch Frankreich, England und Russland genannt werden. Eine Zugangsweise zur Druckgrafik, die sich sowohl ästhetisch als auch technisch niederschlägt und natürlich zum Anknüpfungspunkt
auch einer propagandistischen linken Agenda wird. Dem steht eine wechselvolle Beziehung
zur Druckgrafik in Japan gegenüber. Die politische Beziehung zu Japan hat immer auch ihre Entsprechung in der kulturellen gefunden. Erst kürzlich hat die Politik auf die Kultur durchgeschlagen, als die Einladung von japanischen KünstlerInnen für internationale Ausstellungen in Shanghai und anderen Städten wegen der territorialen Streitigkeiten zwischen den beiden Ländern nicht wie ursprünglich geplant erfolgte. Dennoch war die japanische Druckgrafik immer auch Vorbild und viele der Pioniere der Druckgrafik in China haben selbst in Japan studiert. Schlussendlich muss noch der US-amerikanisch dominierte Diskurs über die Popkultur erwähnt werden, der in all seinen Varianten natürlich gerade im vervielfältigten Bild seinen Ausdruck findet und für eine kulturelle Standortbestimmung im gegenwärtigen China von besonderer Bedeutung ist.
Noch ist sehr wenig über die Druckgrafik der Gegenwart aus China bekannt und die in verschiedenen Foren begonnene Diskussion erst ein Anfang. Die Ausstellung im Heiligenkreuzer Hof ist daher ein Bemühen, die Entdeckung der Fülle und Faszination der chinesischen Druckgrafik ein wenig leichter zu machen und den zukünftigen Dialog auf eine breitere Basis zu stellen.
Die Arbeiten von 白洁 Bai Jie, 包叶舟 Bao Yezhou, 曹传华 Cao Chuanhua, 陈天宇Chen Tianyu, 陈亦暐 Chen Yiwei, 丁乙 Ding Yi, 范雅婷 Fan Yating, 韩晓骏 Han Xiaojun, 姜胤骏 Jiang YinJun , 赖罗春 Lai Luochun, 林清 Lin Qing, 刘倩 Liu Qian, 刘一博 Liu Yibo, 楼慧 Lou Hui, 路戌亮 Lu Xuliang, 卢治平 Lu Zhiping, 罗尔齐 Luo Erqi, 秦一峰 Qin Yifeng, 桑茂林 Sang Maolin, 施洪威 Shi Hongwei, 苏岩声 Su Yansheng, 孙灵 Sun Ling, 韦萍 Sunny, 王嘉逸 Wang Jiayi, 王劫音 Wang Jieyin, 王帅星 Wang Shuaixing, 王昕 Wang Xin, 王燕斐 Wang Yanfei, 吴杰 Wu Jie, 吴晓申 Wu Xiaoshen, 徐龙宝 Xu Longbao, 徐增英 Xu Zengying, 杨守春 Yang Shouchun, 姚媛 Yao Yuan, 袁芳 Yuan Fang, 张茴菁 Zhang Huijing, 章愳 Zhang Ju, 赵波 Zhao Bo, 郑丹彦 Zheng Danyan, 周国斌 Zhou Guobin, 周睿 Zhou Rui und 顾泽衣 Zoe zeigen, wie sich die Lücke zwischen dem künstlerischen Schaffen, das sich an der Erwartungshaltung eines globalisierten Kunstmarktes orientiert, und dem Engagement in lokaler kultureller Entwicklung und Position zu schließen beginnt.
Obwohl manche der ausgestellten Blätter auf den ersten Blick unpolitisch erscheinen, zeigt die chinesische Druckgrafik eine ganz besondere politische Dimension. Entstanden aus dem Verlangen
nach einem politischen Erwachen und einer sozialen Erneuerung wurde die Druckgrafik später in den Dienst parteipolitischer Propaganda gestellt. Inzwischen hat sich das Selbstverständnis der KünstlerInnen gewandelt. Dennoch ist der Wille sichtbar, mit den Arbeiten wirksam zu sein und gesellschaftlich relevante Botschaften zu vermitteln.
Eine weitere politische Dimension ist der Druckgrafik in China aus dem Wunsch entstanden, die historische Kulturleistung der Erfindung des Drucks und konsequenterweise auch der Druckgrafik in China stärker in das internationale Bewusstsein zu rücken, speziell deshalb, da der Nachbar Japan so stark mit der Druckgrafik identifiziert wird und daraus auch einen Teil kultureller Identität schöpft.
Die Ausstellung „Contemporary Chinese Printmaking from Shanghai“ erfolgt also zu einem Zeitpunkt großer Dynamik in diesem Feld und soll den BesucherInnen einen kleinen Einblick in unentdecktes Land vermitteln.